Waltersdorf

Die Geschichte von Waltersdorf

Zum ersten Mal wird Waltersdorf urkundlich im Jahre 1303 unter dem Namen Walprehsdorf erwähnt. 1358 Waltprechtsdorf, 1414 Valpasdorf, 1453 Walpasdorf, 1591 Waltersdorf. Im Jahre 1385 kaufte Johann Liechtenstein die Herrschaft Rabensburg von Ulrich und Hans Zelking und war mit der Feste Rabensburg auch das Gericht, alle Fischweid und das Mühlrecht verbunden. Im Jahre 1440 kam die Herrschaft Wilfersdorf in den Besitz der Liechtensteiner und mit dieser auch die Orte Waltersdorf und Ringelsdorf. 1643 wurde die Liechtensteinsche Herrschaft Hohenau-Rabensburg mit der Liechtensteinschen Herrschaft Wilfersdorf vereinigt, worauf Waltersdorf bis zur Aufhebung der Grundherrschaften im Jahre 1848 zum Herrschaftsbereich Rabensburg gehörte.
Durch den Umstand, dass unser Gebiet immer Grenzgebiet war, mussten die Einwohner von Waltersdorf stets harte Zeiten durchmachen. Sei es durch Kriege, durch Raubzüge und Plünderungen, sowie durch Brandschatzungen gut organisierter Horden aus Ungarn, denn das Gebiet der heutigen Slowakei gehörte bis zum Ende des 1. Weltkrieges zu Ungarn. Immer war der Preis, den unsere Bevölkerung an Leib und Gut bezahlen musste, sehr hoch. Das Gebiet von Waltersdorf wurde schon von der Völkerwanderung berührt. Es gehörte auch zum erweiterten Schlachtfeld der Schlacht im Jahre 1278 zwischen König Ottokar von Böhmen und Kaiser Rudolf von Habsburg. Auch der 30-jährige Krieg ging über die Gegend hinweg, sowie auch der Schweden-, der Franzosen- und der Preußenkrieg. An den Schwedenkrieg erinnert noch das Marterl, die sogenannte Martersäule, welche sich drüber der Bahn gegen den Wald zu befindet. Nach einer mündlichen Überlieferung wurde das schwedische Kriegsheer von einer argen Krankheit befallen, es dürfte die Pest gewesen sein. Die erkrankten Soldaten suchten Schutz in den Getreidefeldern (Getreidemandeln) und starben dort unter großen Qualen. Sie wurden an Ort und Stelle in einem Massengrab beerdigt. Ober diesem Massengrab wurde später dieses Marterl zum Andenken errichtet. Am ärgsten aber litt die Ortsbevölkerung durch die räuberischen Überfälle der Kuruzzen. Diese kamen über die March in unser Gebiet. Sie töteten viele Bewohner, raubten das Vieh und die Getreidevorräte und zündeten überdies noch die Häuser an, welche zur damaligen Zeit alle noch mit Stroh gedeckt waren. Eine Niederschrift berichtet, dass am 15. Juni 1704, anlässlich eines solchen Überfalles durch die Kuruzzen sämtliches Vieh geraubt und der Ort niedergebrannt worden ist.
Aus dieser Zeit stammen die zahlreichen Erdställe, in welchen die Bewohner Schutz gesucht haben und die teilweise bis zum 1. Weltkrieg bestanden haben. Waltersdorf, so kann man ruhig behaupten, war zur Gänze unterminiert. Ebenso verbargen die Ortsbewohner ihre Getreidevorräte in sogenannten Körndlgruben vor dem Zugriff der Räuberhorden. Diese Körndlgruben wurden erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgelassen und durch die Schüttkästen und Schüttböden ersetzt. In dieser Zeit der argen Bedrängnis dürfte auch die Errichtung des Glockenturms fallen, welcher sich in der Ortsmitte befand und welcher im Jahre 1913 abgerissen wurde. In diesem Glockenturm, der aus Ziegeln und Steinen erbaut war, befand sich eine Glocke, welche hauptsächlich dazu diente, die Ortsbevölkerung beim Heranzug feindlicher Krieger und Räuberhorden durch Sturmgeläute aufzufordern, die Erdställe aufzusuchen. Nach dem Abzug der Räuberhorden wurde die Bevölkerung durch ein normales läuten dieser Glocke vom Abzug der Horden verständigt, um die Erdställe wieder zu verlassen und ihre Häuser aufzusuchen. Auch im Falle eines Brandes und bei argen Gewittern wurde diese Glocke geläutet. In zweiter Linie diente dieselbe zur Mahnung an das tägliche Gebet und zum Gedächtnis an die Verstorbenen.
Im Zuge der Glaubenskriege siedelten sich in Waltersdorf mit Zustimmung der Grundherrschaft die sogenannten Hannovraner, kurz Habaner genannt, an. Diese Hannovraner kamen teils aus Schweden, teils wie der Name sagt aus Hannover in unsere Gegend. Sie bildeten sogenannte Bruderschaften und wohnten in geschlossenen Höfen (Brüderhöfen). In Waltersdorf befand sich so ein Bruderhof in dem Ortsgebiet, welches heute "am Berg" bezeichnet wird. Diese Bevölkerungsgruppe gehörte der Sekte der Wiedertäufer an. Sie lehnte strikt die Kindertaufe ab. Die Mitglieder dieser Sekte waren sehr fleißige und geschickte Handwerker, vor allem Messerschmiede, Töpfer, Maurer, Zimmerleute u.dgl. Sie befassten sich auch mit dem Handel verschiedener Gebrauchsgegenstände und brachten es dadurch zu einem gewissen Wohlstand. Sie waren von der übrigen Ortsbevölkerung geachtet, wohl aber auch wegen ihres Wohlstandes wahrscheinlich teilweise beneidet. Im Zuge der Gegenreformation mussten sie jedoch Waltersdorf verlassen, weil sie nicht bereit waren, zum katholischen Glauben überzutreten.
Zur Bevölkerungsstruktur von Waltersdorf sei erwähnt, dass die ursprüngliche Bevölkerung, welche auf dem Gebiet der heutigen Hanfäcker angesiedelt war, Slaven gewesen sein dürften. Später wurden diese durch die Germanen verdrängt. Durch Ausgrabungen und durch Bodenfunde in diesem Gebiet wurde eindeutig der Beweis erbracht, dass sich in dieser Gegend schon vor tausenden Jahren west- und osteuropäische Völkerschaften berührt haben. Nach dem Sieg Kaiser Karls des Großen über die Slaven wurden dieselben über die March zurückgedrängt und Bauern aus Bayern, damals noch Baiern genannt, wurden in unserer Gegend angesiedelt. Sie bewirtschafteten gemeinsam mit den noch hier verbliebenen Slaven den Grund und Boden. Im 30-jährigen Krieg wurde durch rücksichtslose Rekrutierung der Männer und Burschen die männliche Bevölkerung von Waltersdorf fast ausgelöscht. Da jedoch der Lehensherr, der Fürst Liechtenstein, ein großes Interesse daran hatte, dass die bäuerlichen Betriebe ordentlich bewirtschaftet wurden, siedelte er Kroaten, welche vor den Türken aus ihrer Heimat geflohen waren, in Waltersdorf an. Als in weiteren Kriegen abermals die männliche Bevölkerung stark dezimiert worden ist, veranlasste der Grundherr, dass Burschen aus der benachbarten Slowakei die Führung der männerlosen Wirtschaften übernahmen. Dieselben heirateten in der Folge in die Wirtschaften ein und so kam das slavische Element wieder in unseren Ort.
Mit der Aufhebung der Grundherrschaft im Jahre 1848, welche die Waltersdorfer von Robot und Zehent gegenüber der Herrschaft befreite, änderte sich auch die Gesamtstruktur des Ortes. Es siedelten sich im Ort verschiedene Handwerker und Kaufleute an. Bewohner, welche ausschließlich bisher nur als Taglöhner in der Landwirtschaft tätig gewesen waren, fanden auswärts hauptsächlich in Wien Beschäftigung als Kutscher, Kohlenauslader am Nordbahnhof und als sonstige Hilfsarbeiter. Die Errichtung eines Ziegelwerkes im Jahr 1908 in Waltersdorf verschaffte nicht nur vielen Leuten aus dem Ort selbst Beschäftigung und Brot, sondern brachte auch viele Auswärtige als Ziegelarbeiter in unseren Ort. Durch diesen Umstand wurde Waltersdorf von einem reinen Bauerndorf zu einer gemischt landwirtschaftlichen und industriellen Gemeinde gemacht.
Während im 1. Weltkrieg 20 Waltersdorfer Männer und Burschen fielen und durch Zeichnung einer hohen Kriegsanleihe Opfer gebracht werden mussten, traf der 2. Weltkrieg unsere Gemeinde weit schwerer. Es fielen 22 Waltersdorfer. Im Jahre 1945 wurde Waltersdorf von den Russen besetzt und in diesem Zusammenhang wurden die Bewohner auch von sämtlichen Pferden mit Wagen, von Kühen, Kälbern und Schweinen, sowie zum Großteil vom Hühnervolk "befreit". Nach 1945 musste vom Nullpunkt wieder angefangen und aufgebaut werden. Eine harte Zeit, aber auch sie wurde mit Fleiß und Gotteshilfe durch die Ortsbevölkerung gemeistert. Zu erwähnen wäre noch, dass sich Waltersdorf in den vergangenen Jahrhunderten immer durch ein reiches und schönes Brauchtum ausgezeichnet hat. So gab es bis vor ca. 80 Jahren noch den schönen Brauch des Frühlingseinsingens durch die Schuljugend. Jeweils am Ostermontag zog die weißgekleidete Frühlingsbraut unter einem Himmel, welcher von 4 Buben getragen wurde, von Haus zu Haus und sagte dabei folgenden Spruch auf:

Lasst uns froh den Frühling einsingen

mit lustigem Tanz und Springen.

lieber Frühling komme bald,

mach grün die Büsche und den Wald!

Lass die Blümlein sprießen

und die Bächlein fließen,

lass die Sonne scheinen hell und klar

und lass werden ein recht fruchtbars Jahr!

Wir wünschen Euch den Ostersegen,

Glück und Gesundheit auf allen Wegen.

Schenkt uns dafür Kuchen und Eier zum Schmaus,

mit Dank eilen wir wieder aus dem Haus!

Selbstverständlich wurde diese Frühlingsbraut von allen Schulkindern des Ortes begleitet. Der Erlös an Geld, Kuchen und Eiern wurde unter den Kindern ehrlich verteilt.